Nisthilfen für den Eisvogel

von Manfred Wilke und Clemens Lüers

Nisthilfen für den Eisvogel am renaturierten Altrheinarm zwischen Geisenheim und Oestrich-Winkel

Eisvogel futtertragend Foto: NABU/Christoph Bosch
Eisvogel futtertragend Foto: NABU/Christoph Bosch

Geschichte der Schönbornschen Aue

Der Mittelrhein zwischen Bingen / Rüdesheim und Mainz ist seit jeher ein Inselrhein, d.h. ein Rheinabschnitt mit dauernd neu entstehenden, sich verschiebenden und verschwindenden Inseln. Das kommt daher, dass der Urstrom Rhein, als er sich vor ca. 20.000 Jahren in seiner schon etwa heutigen Gestalt -allerdings viel breiter- seinen Weg durch das Taunus-Schiefergebirge bahnen musste, gegen die unüberwindliche Quarzitbarriere „Binger Loch“ stieß.

Hier verlangsamte sich rheinaufwärts seine Fließgeschwindigkeit und es lagerten sich dadurch Unmengen von Geschiebe (Sand, Kies, Felsen) ab, die zu natürlichen, sich verlagernden Inseln wurden.

So entstand auch um 1500 n. Chr. eine Insel in Ufernähe der heutigen rechtsrheinischen Stadt Geisenheim, die damals „Stockheimer Aue“ benannt wurde und im 17. Jh. an die Grafen von Schönborn überging.

Anfang des 19. Jh. begann die Insel zu verlanden. Dieser Prozess wurde beschleunigt durch die Verbreiterungsarbeiten am Binger Loch Mitte des 19. Jh., weil das Abraummaterial zur Verfüllung des natürlichen Altrheinarmes der Schönbornschen Aue verwendet wurde.

Um die Jahrhundertwende ( 1899 / 1900 ) wurde aus der Insel Festland. Diese etwa 4,6 ha große Fläche gehörte zwar immer noch den Grafen von Schönborn, ist aber seit ca. 1950 an die Stadt Geisenheim verpachtet worden, die es teilweise Kleingärtnern zur Verfügung gestellt und zum NSG erklärt hat. Heute gehört das ganze Gebiet dem Land Hessen.

Renaturierung des Gebietes Schönbornsche Aue

Obwohl das Gebiet der Schönbornschen Aue ca. 20 km von Wiesbaden-Schiernstein entfernt ist, wurde es als Ausgleichsmaßnahme beim zurzeit stattfindenden Neubau der Autobahnbrücke bei Schierstein herangezogen, weil sich kein ähnliches FFH-Gebiet in der Nähe der Rettbergsaue (WI-Schierstein) befindet. Geplant wurde bei dieser Renaturierungsmaßnahme, die schon bis in die 80er zurückgeht, die Schönbornsche Aue wieder in den Zustand einer Insel zu versetzten.

Deshalb wurde im Herbst 2014 mit dem Ausbaggern eines 1,2 km langen Altrheinarmes mit einer mindestens 6 m Sohlenbreite begonnen, der ganzjährig durchströmt werden soll. Er ist Mitte November des Jahres 2015 fertig geworden. Auf beiden Seiten dieses neuen Altrheinarmes sollen in den nächsten Jahren durch natürliche Sukzession auf einer Breite zwischen 25 m und 75m Röhrichtflächen, Weichholz- und Hartholzauen entstehen.

 

Bau und Installation zweier Eisvogel-Nisthilfen

Sobald die Renaturierungsmaßnahmen des Gebietes der Schönbornschen Aue offiziell bekannt wurden (Wiesbadener Kurier vom 26. 1. 2010), begannen Mitglieder des NABU Rheingau zu überlegen, wie man diese gewaltige Baumaßnahme sinnvoll biologisch-ökologisch unterstützen könnte. Nun sind auch in den letzten Jahren schon immer wieder Eisvögel (Alcedo atthis) am Rhein im Rheingau gesehen worden, obwohl dieser herrlich bunte Vogel nicht nur in Deutschland stark abgenommen hat ( nach der Roten Liste: Kategorie 2 , d. h. stark gefährdet ! ).

Gründe für die Abnahme sind vielfältig: z.B. Befestigung von Flussufern durch Steine, Abflachung von Uferböschungen, Beunruhigungen an den Gewässern durch Angler und Wassersportler.

Auf der Schiffsexkursion am 22. November 2015 zwischen Bingen / Rüdesheim und Eltville konnten wir aber immerhin sechs Eisvögel beobachten, besonders im Umfeld der Mariannenaue. Auch am Rüdesheimer Hafen kommen sie vor.

 

Was lag da näher, als diese „fliegenden Edelsteine“ durch geeignete Nisthilfen zu unterstützen? Der Eisvogel benötigt für sein Nest steile, lehmig-sandige Wände, in die er eine bis 1 m lange Röhre gräbt. Leider findet er diese Art von Böschungen an den jetzt fertig gestellten Altrheinufern nicht. Sie sind zu sandig und damit nicht steil genug.

Also ergriffen wir die Initiative und fingen im Sommer 2015 mit den konkreten Maßnahmen an: Wir besorgten uns eine Zulassungsgenehmigung bei der Oberen Naturschutzbehörde in Darmstadt und verhandelten mit der Baubehörde „Hessen Mobil“. Wir beschafften uns Bauvorlagen für eine Eisvogelnisthilfe (Eisvogelblock) und Baumaterial von einer Eltviller Holzhandlung (Siebdruckplatten , Bohlen und Holzpfähle). Finanzielle Berechnungen für zwei solcher Eisvogelblöcke ergaben einen Betrag von ca. 600.- €, den wir von unserem Ortsgruppen-Etat bestritten.

Genügend Arbeitskräfte standen aus unseren Reihen zur Verfügung, zumal uns die Baufirma dankenswerter Weise mit Bagger und Frontlader kostenlos unterstützte.

Am 5. Oktober war es dann so weit: Die beiden Eisvogelnisthilfen, die im Keller eines NABU-Mitgliedes aus witterungsbeständigen Siebdruckplatten zusammengebaut worden waren, wurden zur Baustelle des Altrheinarms transportiert und dort von einem Bagger an Seilen hängend übernommen, der sie an die von uns ausgesuchten Böschungsstellen schleppte. Die Nisthilfe besteht aus einem Quader 1,2 x 1,0 x 0,3 m aus 24mm Siebdruckplatten, in dem die Eisvogel- und Uferschwalbenbrutröhre der Firma Schwegler eingebaut ist. Frontseitig ist eine 32 mm Siebdruckplatte von 1,5 x 1,5 m als künstliches Steilufer befestigt.

Nachdem der Bagger die Mulden in die Böschung ausgehoben hatte, rammte er je 4 kräftige ca. 2,5 m lange Hartholzpfähle direkt vor der Nisthilfe in die Böschung, um ein Abrutschen zu verhindern. Damit die Steilwände dem Bodendruck standhalten, wurden diese noch mit Stahlseilen in der Böschung verankert.

Zuletzt wurden diese Eisvogelnisthilfen mit Erde aufgefüllt. In die Vorderwand waren beim Zusammenbau drei Einfluglöcher (10 cm Durchmesser) gebohrt worden, ein Loch direkt vor die künstliche Brutröhre, die beide anderen verteilt zum Anreiz für den Eisvogel, dahinter selber noch Brutröhren auszugraben, was er auch in freier Natur tut.

Durch diese Nisthilfe sind die Vögel auch weitgehend vor ihren natürlichen Feinden (Ratten, Marder, Fuchs und Dachs) geschützt.

In den nächsten Wochen werden wir längere Äste in die Böschungen stecken, die über die Wasserfläche ragen, da es noch eine Zeit lang dauern wird, bis die natürliche Vegetation herangewachsen ist. Der Eisvogel braucht solche Sitzwarten, um von dort aus nach Fischen zu tauchen. Wenn er keine Äste findet, kann er auch über dem Wasser rütteln und dann abtauchen. Er frisst übrigens nicht nur Fische, sondern auch Wasserinsekten. Eisvögel können durch Nahrungsmangel in strengen Wintern, wenn Gewässer zufrieren, starke Verluste erleiden. Sie gleichen diese aber durch 2 bis 3 Bruten im Jahr aus, zumal sie sechs bis acht Eier bei einem Brutvorgang legen.

 

Nachdem die Bagger und Lastwagen mit ihrem Lärm aufgehört haben, heißt es jetzt für uns in Ruhe zu beobachten, ob und wie die Eisvögel unsere Nisthilfen annehmen werden.

Quellennachweis

1.) Maps.gg UG (Hrsg.): Schönborn'sche Aue

2.) Hessen Mobil (Hrsg.): Renaturierung eines Altrheinarms                                                                                      

3.) Wiesbadener Kurier vom 26. 1. 2010 , S.5                                                           

4.) Horst Stern: „Rettet die Vögel“, 1978, ISBN 3-453-02169-X, S. 154 ff.                

5.) Klaus Ruge: „Vogelschutz“ , 1989 , ISBN 3-473-46090-7, S. 52 ff.