Sammel- und Rettungsaktion der "Bufo Bufo"

von Katrin Schäfer

Was retten wir da eigentlich – die Bufo Bufo? Bufo Bufo ist die wissenschaftliche Bezeichnung für „Erdkröte“. Sie hat eine froschähnliche Gestalt und ist am ganzen Körper mit Warzen übersät; etwas unscheinbar mit ihrer bräunlich, manchmal gelblich bis grünlichen, oft dunkel gefleckten Färbung und entsprechend ihrer Umwelt gut angepasst. In den Warzen, dem Hauptunterscheidungsmerkmal zu ihren Verwandten, den Fröschen, speichert sie zur passiven Abwehr von Feinden ein giftiges Sekret. Der Drüseninhalt ist allerdings für Menschen nicht spürbar, so dass man die Tiere bedenkenlos anfassen kann.

Erdkröte Foto: NABU/Helge May
Erdkröte Foto: NABU/Helge May

Erdkröten, die bis zu 15 Jahre alt werden können, sind äußerst ortstreu. In der Regel suchen sie ihr ganzes Leben lang dieselben Quartiere auf, also auch die Winterruhestätte in der Nähe des Laichgewässers. Etwa Anfang Oktober begeben sie sich auf ihre Herbstwanderung von ihrem Sommeraufenthaltsort zu dem bis zu zwei Kilometern entfernten Winterquartier. Dort graben sie sich in den Boden ein und verfallen in eine Kältestarre, aus der sie erst im März bei Temperaturen von 4 bis 5 Grad erwachen. In der zweiten Märzhälfte beginnt dann die große Wanderung von tausenden von Tieren. Dabei bevorzugen sie Tage mit feuchtem, windstillem Wetter. Auf ihrer Wanderung vom Winterquartier zu den Tümpeln müssen sie leider immer häufiger stark befahrene Straßen überqueren. Die Kröten genießen bei den noch recht kalten Temperaturen die von der Asphaltdecke gespeicherte und wieder abgegebene Sonnenwärme und verweilen daher gerne einen Moment auf der Straße, was ihnen meist zum Verhängnis wird. Selbst wenn vorausschauende Autofahrer sie wohlmeinend „zwischen die Räder nehmen“, werden die Tiere meist von dem starken Sog des Autos (ab 30 km/h) getötet.

Krötenzaun Eberbach Foto: Detlef Bendinger
Krötenzaun Eberbach Foto: Detlef Bendinger

So trennt auch im Wispertal, in Nähe der Forellenzuchtstation, die L 3033, von Lorch Richtung Bäderstraße, genau die Wanderroute der Erdkröte zu ihrem Laichplatz. Damit möglichst wenige Amphibien dem Straßenverkehr zum Opfer fallen, bauen wir seit Jahren an dieser Stelle Schutzzäune auf, wo noch keine feste Barriere aus Holz installiert ist.

Dazu treffen wir uns, meist Anfang März, an einem Vormittag, um den kniehohen Plastikzaun aufzustellen. Zunächst wird das Laub entlang des Zaunverlaufs beiseite gerecht, um später das Krötensammeln zu erleichtern, da die Tiere auf den ersten Blick oft nicht von einem verwelkten Blatt zu unterscheiden sind. 

Anschließend werden die Metallstäbe in die Erde geschlagen, woran die Zaunhalterungen befestigt werden. Die Aussparungen der Gewebefolie werden dann dort eingehakt und schon steht der Schutzzaun. Damit die Kröten nicht einfach durch die Absperrung schlüpfen, wird der untere Teil des Zauns mit Erde abgedeckt. Zuletzt werden alle paar Meter Eimer, in denen die Kröten, auf ihrer Suche nach einem Weiterkommen, hineinfallen, in die Erde gesetzt. Nach einem kurzen Essen um die Mittagszeit sind die Aufbauarbeiten fast abgeschlossen.

Nun geht die eigentliche Rettung los. Freiwillige Helfer tragen Tag für Tag morgens und abends bis circa Anfang Mai die Eimer mit den Kröten über die Straße und setzen sie am Teich sicher aus. Im Fanggefäß findet man neben Erdkrötenpärchen einzelne, meist männliche, Exemplare dieser Spezies. Die kleinen „Hüpfer“ sind die Männchen und die großen, dicken, behäbigen, die Weibchen. Die Männchen sitzen obenauf und umklammern fest ihre Partnerin, von der sie sich oft die ganze Wegstrecke bis zum Laichgewässer huckepack tragen lassen. Jedoch halten sich die „Herren“ nicht nur an Artgenossen fest, sondern an allem, was sich bewegt und in der Größe einem Weibchen gleicht. Daher ist es nicht verwunderlich, dass zu den begehrten Objekten u. a. Fische und menschliche Hände zählen können. Bemerkt das Männchen jedoch nach einer Weile, durch Ausbleiben bestimmter Bewegungsmuster, dass es sich bei dem umarmten Objekt nicht um das andere Geschlecht handelt, lässt es von diesem ab und setzt seine Suche fort. Oftmals kann man beobachten, wie sich mehrere Männchen um ein Weibchen scharren, und jeder von ihnen versucht den Platz des Widersachers auf ihrem Rücken einzunehmen. Dieser wiederum versucht die Anwärter mit den Hinterbeinen weg zu drängen und signalisiert mit Abwehrlauten seine Missbilligung. Von dem „Gerangel“ werden allerdings weitere Männchen angezogen, so dass manchmal 10 Männchen und mehr ein Weibchen umwerben. Das führt im schlimmsten Fall dazu, dass das Weibchen erdrückt und erstickt wird. Der Überschuss von Männchen in der Paarungszeit, wobei das Verhältnis der Geschlechter von 1:3 bis 1:9 variieren kann, liegt darin begründet, dass fast alle Männchen zum Laichgewässer wandern. Dagegen werden die Weibchen nur alle zwei Jahre aktiv.

Die Mehrzahl der Erdkröten wandern innerhalb von wenigen „Haupttagen“ zu dem Teich auf der anderen Straßenseite; eben wenn die Witterungsbedingungen besonders günstig sind, d. h. Temperaturen von 4 bis 10 Grad herrschen und die Feuchtigkeit hoch ist. Für die Naturschützer bedeutet das, etliche Eimer mit insgesamt hunderten von Tieren über die Fahrbahn zu transportieren. Das kann schon etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen. Dennoch ist es ein sehenswertes Spektakel und für Kinder ein tolles Ereignis. An Tagen, an denen wenige oder auch mal keine Tiere in die Behältnisse gefallen sind, kann die Sammelaktion, besonders für die Kinder, schon ein wenig enttäuschend sein. Insgesamt lassen sich die Kleinen, aber auch die Heranwachsenden, sehr für diese Aktivität begeistern, da so viele Tiere zu finden und Lebewesen aus nächster Nähe zu betrachten sind. Hinzu kommt, dass in aller Regel vor allem Molche, aber auch Frösche in den Eimern sitzen. Auch sie sind auf ihrer Laichwanderung und werden über die Straße getragen. In Ausnahmefällen bekamen wir sogar Feuersalamander und Laubfrösche zu sehen.

Dank dieser Rettungsaktion konnten im Wispertal im Jahr 2010 6000 Erdkröten, 200 Grasfrösche, 100 Faden- und 50 Bergmolche sicher an ihren Laichplatz gebracht werden. 

 

Trotz des etwas größeren Aufwands ein- oder zweimal pro Woche an einem festgelegten Tag in der Frühe oder am Abend die Kröten einzusammeln, ist es immer wieder ein wunderbares Erlebnis für jeden einzelnen oder für Familien. Es macht viel Freude, neben dem Gefühl beim Weiterbestehen einer Art geholfen zu haben, von Woche zu Woche die Entwicklungen der Natur in dieser schönen Gegend beobachten zu können. Zum Zeitpunkt des Zaunaufbaus ist es meist noch recht kalt und etwas ungemütlich, aber mit jeder Woche, in der man ins Wispertal fährt, erwacht zunehmend das Frühjahr. Wenn Ende April / Anfang Mai die Saison vorüber ist, bauen wir die Zäune binnen zwei, drei Stunden ab. Dann ist es schon angenehm warm und es bietet sich die Gelegenheit, zum Abschluss etwas Maikraut (Waldmeister) für die Bowle aus dem Wald mitzunehmen.

 

Wie geht es weiter, wenn wir den „Schauplatz“ verlassen haben? Sind die Kröten am Teich angekommen, suchen sie genau jene Stelle auf, an der sie selbst geschlüpft sind. Dort tauchen sie unter und erscheinen zumindest tagsüber nicht mehr an der Wasseroberfläche. Sie verweilen am Weihergrund meist länger als drei Tage, um sich vom „Wandertrieb“ auf den „Laichtrieb“ umzustellen. Wenn die Tiere wieder auftauchen, beginnt die eigentliche Paarung. Während der Laichablage spannt das Weibchen in mehreren Schüben seine Laichschnüre von 20 – 30 cm Länge zwischen Pflanzen und Wurzeln. Die Eier liegen in den Schnüren in ein bis vier Reihen. Gleichzeitig gibt das, auf dem Weibchen sitzende, Männchen sein Sperma über die Eier und befruchtet diese. Durch das Spannen an Pflanzenteile ist jedes Ei mit ausreichend Wasser umgeben und erhält sowohl genügend Sauerstoff, als auch Licht. Ein Weibchen kann insgesamt 6000 Eier ablegen. Nach 3 bis 4 Monaten haben sich aus dem Laich kleine Erdkröten entwickelt, die sich in den Wald zurückziehen. Die Eltern verlassen nach der Fortpflanzung den Teich und machen sich auf den Weg zu ihrem altbewährten Sommerquartier. Dort halten sie nochmals eine kurze Winterruhe bis die Temperatur in der Nacht etwa 10 Grad beträgt. Erdkröten sind nämlich, außer zur Zeit der Paarung, nachts aktiv. Anfang Oktober beginnt wieder die sogenannte Herbstwanderung zu ihren Winterruhestätten; so schließt sich der Jahreskreis für die Bufo bufo.